Sehr geehrter Herr Bürgermeister Siebert,
sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Landtagsabgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,
herzlichen Dank für die Einladung zu Ihrer Festveranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit! Es ist mir eine Ehre und eine große Freude, dass Sie mich in diesem Jahr um die Festrede gebeten haben! Sehr gern bin ich dieser Einladung gefolgt!
Vor mir waren schon große Redner hier. Meine Besonderheit ist hingegen, dass ich aus dieser Region komme und hier noch immer meinen Lebensmittelpunkt habe.
Ich möchte Ihnen

  • meinen Eindruck vom Stand der Deutschen Einheit vermitteln,
  • einen persönlichen Blick zurück in die Jahre davor wagen, um nach Ursachen für heutige Probleme zu suchen,
  • und schließlich überlegen, wie wir als Ostdeutsche mit diesem Erbe nicht zerstörerisch, sondern zuversichtlich und konstruktiv umgehen können.

Der Mauerfall liegt in diesem Jahr 35 Jahre zurück, der Tag der Deutschen Einheit 34 Jahre. Wie ist es inzwischen um die deutsch-deutsche Einheit bestellt?
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich fühle mich zwiegespalten. Auf der einen Seite spielt die frühere Teilung im Alltag schon lange keine Rolle mehr. Ich treffe Kinder, die von der DDR noch nichts gehört haben. Auch ich musste tief im Gedächtnis graben, um mich in Vorbereitung dieser Rede noch an Details aus meinem Leben in der DDR zu erinnern.

Auf der anderen Seite ist ein (vielleicht auch nur imaginierter) Unterschied zwischen Osten und Westen sofort als Argumentationsmuster zur Hand, sobald etwas nicht funktioniert wie geplant. Ich denke zum Beispiel an manche Abgeordnetenkollegen aus dem Westen, die mitunter große Augen machen, wenn ich davon berichte, dass sich unsere Entscheidungen in West und Ost unterschiedlich auswirken könnten.

Kürzlich haben wir in Berlin den 75. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert. Ich habe darauf hingewiesen, dass es im Osten erst seit 34 Jahren gilt, daran hatten viele aus dem Westen einfach nicht gedacht.Das ist übrigens auch der Grund für mich, mich in die Bundespolitik einzumischen. Ich bin die einzige Bundestagsabgeordnete für eine große Region in Brandenburg. Der ganze Landkreis Märkisch-Oderland und der Süden des Barnims gehören dazu.

Ich bin die einzige aus dieser Region im Bundestag. Die einzige, die unsere Sichtweise, unsere Erfahrungen und unsere Lebensbedingungen in die Entscheidungsfindung in der Bundespolitik einbringen kann. Ich bin mir dieser wichtigen und verantwortungsvollen Aufgabe sehr bewusst, gerade weil der ostdeutsche Erfahrungsschatz und die Lebensumstände bei uns im ländlichen Ostdeutschland für manch westdeutsche Abgeordnete so weit weg sind.

Wie ist es nun um die Deutsche Einheit bestellt? Dazu berichtet in jedem Jahr der Ostbeauftragte der Bundesregierung. In diesem Jahr kommt er zu folgendem Ergebnis: “Beide Landesteile sind längst viel enger miteinander verwoben, als es manchmal scheint”, schreibt Carsten Schneider in seinem Bericht.
Trotzdem sei der deutsch-deutsche Beziehungsstatus kompliziert. Viele Ostdeutsche fühlen sich noch immer als Bürger zweiter Klasse. Beim Einkommen, beim Vermögen, bei den Wahlergebnissen herrschen bis heute in Deutschland große Unterschiede zwischen Ost und West. Dazu kämen Groll und Missverständnisse. Doch bei den großen Linien, wie die Gesellschaft aussehen soll, seien sich die Menschen sehr einig.

Das bestätigt auch der Deutschland-Monitor, eine große anerkannte Studie: Neun von zehn Befragten in Ost und West wollen eine Gesellschaft mit gleichberechtigten Geschlechtern,
mit gleichen Chancen auf Entfaltung der Persönlichkeit,
mit einem friedlichen Zusammenleben der Religionen,
einem “gelebten sozialen Miteinander” und sozialer Gerechtigkeit.
Eine “klimaneutrale Gesellschaft” und eine Gesellschaft, “in der Zuwanderung als Chance begriffen wird”, unterstützen jedoch nur die Hälfte aller Befragten. In Ostdeutschland deutlich weniger als im Westen.

Dazu kommen die ökonomischen Unterschiede, nur zwei Beispiele:

  • Vollzeitbeschäftigte bekommen im Osten statistisch im Schnitt gut 800 Euro weniger im Monat.
  • 90 Prozent des Wohneigentums in Leipzig gehört Westdeutschen.

In krisenhaften Zeiten, wie jetzt gerade, suchen Menschen nach Sicherheit. Wer viel Geld und Vermögen hat, kann Unsicherheiten besser aushalten. Hier sind Ostdeutsche noch immer im Nachteil. Deshalb ist gute Sozialpolitik wichtig, um die wir uns im Bund bemühen. In Befragungen geben Ostdeutsche dennoch überwiegend an, dass sie persönlich in einer guten finanziellen Lage sind. Trotzdem bewerten sie die Gesamtsituation als dramatisch schlecht.

Die Erfahrung von Massenarbeitslosigkeit und bislang unbekannter, existenzieller Unsicherheit in den Nachwendejahren hat so ziemlich jede Familie betroffen. Diese Erfahrung wird in den Familien weitergegeben, sie gehört zum kulturellen Gedächtnis der Ostdeutschen. Vielleicht sind viele auch deshalb so empfänglich für einfache Lösungen und einen starken Staat. Die zerstrittene Ampel scheint die Sicherheits-Erwartungen derzeit jedenfalls nicht zu erfüllen.

Beim Thema Migration gibt es ähnliche Umfrageergebnisse: Kaum jemand hat schlechte Erfahrungen mit den wenigen Migranten hier gemacht, trotzdem wird Migration als größtes Problem betrachtet und ist letztlich wahlentscheidend für viele. Kaum jemand macht sich klar, was mit der propagierten massenhaften Abschiebung geplant ist. Zurecht gab es Anfang des Jahres große Demonstrationen dagegen, auch in unserer Region. Wir brauchen dringend Zuwanderung und gute Integration!

Vor knapp zwei Wochen hatten wir Landtagswahlen in Brandenburg. Ich bin ehrlich schockiert über die hohe Zustimmung zur AfD. Einer Partei, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird und die an den Grundfesten unserer Gesellschaft rüttelt. Ich bin auch erschrocken über so manche Äußerung, die ich in Gesprächen höre. Und ich frage mich natürlich, ob und wie das mit unserer besonderen ostdeutschen Geschichte zusammenhängt.

1990 war ich 29 Jahre alt. Eine junge Lehrerin für Staatsbürgerkunde, mein Mann bei der Armee, wir hatten zwei kleine Kinder. Ich kann für mich sagen, dass ich an den Sozialismus geglaubt habe. Ich habe an Gleichheit geglaubt, an deutsch-sowjetische Freundschaft, und es ist mir damals nicht eingefallen, daran zu zweifeln. Vielleicht auch deswegen, weil ich einfach keine Zeit und keine Kapazitäten dafür hatte. Aber so wie viele andere auch dachte ich, dass ich mich für etwas Gutes einsetze.
Meine Tochter, die heute erwachsen ist, hat neulich zu mir gesagt, sie wolle mal wieder Arme Ritter essen, das würde sie an ihre Kindheit erinnern. Arme Ritter, das ist altes Brot mit Ei gebraten. Ein Essen, das ich notgedrungen machte, wenn ich am Ende des Monats kein Geld mehr hatte, um etwas anderes zu kaufen. Als junge Lehrerin und einfacher Soldat hatten wir einfach manchmal kein Geld mehr am Ende eines Monats.

Erst nach der Wende ist mir klar geworden, dass andere über Westgeld verfügten und dass Offiziere vergleichsweise in Saus und Braus lebten, dass Offiziersfrauen gar nicht unbedingt Geld verdienen mussten. Ich war fest davon ausgegangen, dass in der DDR Gleichheit herrscht.

Und dann war da die Sache mit einer meiner Schülerinnen, die eine schlechte Note geschrieben hatte. Eines Tages wurde ich zum Direktor gerufen. Da saßen Männer in schwarzen Mänteln, und mir wurde die Ansage gemacht, dass dieses Mädchen eine bessere Note zu bekommen habe. Sie war die Tochter eines SED-Funktionärs. Das war für mich der Moment, an dem ich an der angeblichen Rechtsstaatlichkeit zu zweifeln begann.

Wenn Sie mich jetzt konkret nach dem Mauerfall fragen: Den habe ich verschlafen! Ich war mit den kleinen Kindern zu Hause, meine Tochter war krank, mein Mann im Dienst. Wir sind früh schlafen gegangen. Am nächsten Tag habe ich die Kinder in die Kita gebracht, da war Unruhe und großes Gewusel. Mein Mann war noch immer nicht nach Hause gekommen, ich rief also in seiner Dienststelle an. Dort sagte man mir, ich könne jetzt in den Westen fahren und mein Mann sei in Sicherheit. Welch eine Auskunft! Das war ein großer Schock! Wo war mein Mann? Und ich wollte auch nicht in den Westen, auch später war mir das nicht geheuer, weil ich Angst hatte, dass ich am Ende vielleicht nicht wieder zurückkommen könnte.

Es war also eine sehr bewegende Zeit, in der vieles ans Licht kam, womit ich nicht im Traum gerechnet hatte. Dazu gehörten auch die schrecklichen Zustände in den Einrichtungen der Hasenburg oder dem „Kindergefängnis“ in Bad Freienwalde, die mich als Pädagogin zutiefst erschreckt haben.

Eine schreckliche Zeit erlebte ich, als mir kurz nach der Wende jemand eine IM-Tätigkeit anhängen wollte. An der Geschichte war nichts Wahres dran. Dieser Mann wollte von seiner eigenen Verstrickung ablenken, auch das gab es.

Ich habe nach dem Mauerfall im Staatsbürgerkunde-Unterricht mit meinen Schülern das demokratische System der Bundesrepublik durchgenommen und habe zusammen mit ihnen gelernt, wie diese für uns neue Demokratie funktioniert. Wir haben auch aktuelle politische Ereignisse und unsere Erlebnisse diskutiert und in unseren Familien darüber gesprochen. Ohne es zu wissen war ich damit privilegiert – zwar gab es in Kursen für Arbeitslose mitunter auch politische Bildungsangebote. Aber viele, die in der DDR aufgewachsen waren, bezogen ihre demokratischen Grundlagen aus dem Fernsehen.
Seien wir doch ehrlich: Demokratie und Zivilgesellschaft wurden uns nicht in die Wiege gelegt. Wir haben in einer weitgehend homogenen Gesellschaft gelebt. Rassismus, Gewalt gegen Frauen, Menschen mit Behinderungen – das war kein Thema in der DDR. Offiziell waren wir alle per se antifaschistisch, so wurde es vorgegeben. Gerade wir, die wir die Diktatur erlebt haben, müssen uns der Verklärung der DDR und neuen Ansätzen autoritärer Herrschaft entgegenstellen!
Nach dem Freiheitsschock der Wende herrschte dann in vielen Familien Sprachlosigkeit, so habe ich es zumindest empfunden. Die Aufarbeitung ist stecken geblieben. Jeder war mit sich beschäftigt. Der Zusammenhalt, der geholfen hatte, auch Engpässe zu bewältigen, ist in dieser Zeit zerbrochen.

Bei uns in den ländlichen Regionen haben mit der Wende viele ökonomisch verloren. Viele waren vor der Wende in LPGs und in der Kooperativen Agrarproduktion beschäftigt und hatten nebenher Einkünfte aus eigener Landwirtschaft. Bei uns haben sie zum Beispiel viel Äpfel verkauft. Das war mit der Wende vorbei. Die LPGs wurden geschlossen, privat war auch nichts mehr möglich. Dadurch fehlten vielen die Rentenpunkte. Dazu kam, dass viele junge Leute weg gegangen sind, gerade die gut ausgebildeten, weil es nicht genug Arbeit gab.

Und so gab es viele andere Enttäuschungen und Demütigungen. Noch ein Beispiel: Vor kurzem war ich im Humboldt-Forum, in neugebauten Stadtschloss in Berlin. Dort gibt es jetzt eine Ausstellung über den Palast der Republik. Dort war ich früher mit meinem Mann Eis essen, das war immer ein besonderes Erlebnis. Warum musste der Palast abgerissen werden? Ist ein Hohenzollernschloss wirklich ein besseres ideologisches Vorbild? Vielleicht wäre es gut gewesen, den Palast und so manches andere zu erhalten, was im Eifer der Wendejahre beseitigt wurde. Zur Auseinandersetzung mit der Geschichte hätte es Ost und West, Jung und Alt gleichermaßen angeregt.

Die Zeit des Freiheitsschocks war auch die Zeit der Massenarbeitslosigkeit, des wirtschaftlichen Niedergangs und der Demütigungen. In den sogenannten „Baseballschlägerjahren“ übernahmen gewaltbereite, rechtsradikale junge Leute die Macht in den Straßen. Auch bei uns in Strausberg wurde damals ein Mann ermordet. Was macht es mit Gesellschaften, wenn die Älteren ihre Autorität verlieren und haltlose junge Menschen das Kommando übernehmen?

Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Unsere Region hat sich sehr gut entwickelt. Spätestens seit der Corona-Pandemie kommen junge Leute zurück, jetzt fehlt es an Wohnraum und die Infrastruktur ist überlastet. Das führt wieder in vielen Bereichen zu Problemen, um die wir uns kümmern.

In dieser Situation kommen Leute, die das gekränkte Herz der Ostdeutschen ansprechen. Die sich unsere friedliche Revolution aneignen wollen und eine Wende 2.0 versprechen. Die behaupten, die Unfreiheit der DDR würde sich heute wiederholen. Die die SED-Diktatur verharmlosen, weil sie mit Autokraten sympathisieren. Die sich die heutige Angst vor einem Absturz zunutze machen, die eine starke Hand propagieren. Ich bin wütend auf diese “Polarisierungsunternehmer”, die uns Ostdeutschen einreden wollen, wir seien Opfer. Sie missbrauchen unsere Geschichte für ihr eigenes Geschäftsmodell. Sie schüren Hass und säen Zwietracht, wo wir Gemeinschaft und Zusammenhalt brauchen, um unsere Region weiter voranzubringen. Ich höre Hass und Hetze, sehe wie unsere Gemeinschaft belastet wird, wie Unfrieden selbst in Familien Einzug hält. Wie die gute Entwicklung unseres Landes schlechtgeredet wird. Dieser Weg führt in den Abgrund.

Aber es gibt einen zweiten Weg, für den ich werbe: Wir Ostdeutschen haben uns aus eigener Kraft aus einer Diktatur befreit. Wir haben uns die Demokratie erkämpft, daraus können wir Kraft ziehen. Diesen Weg müssen wir viel lauter machen und gerade auch den Jüngeren vermitteln!
Erinnern wir uns an die großen Montagsdemonstrationen, an die mutigen Menschen. Erinnern wir uns an den kürzlich verstorbenen Friedrich Schorlemmer und die Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“.
Erinnern wir uns an den Runden Tisch und den fortschrittlichen Verfassungsentwurf der dort entstand. Oder erinnern wir uns an die vielfältige Demokratiebewegung der Wendejahre.
Vor wenigen Wochen haben wir in der Feierstunde des Deutschen Bundestags zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes einen Vortrag der Wissenschaftlerin Prof. Christina Morina aus Frankfurt/ Oder gehört. Sie hat sich intensiv mit den Diskussionen zur Wendezeit beschäftigt und den dort diskutierten Vorstellungen von Demokratie und Verfassung. Auch mit den vielfach vorgetragenen Ideen zu einer Weiterentwicklung des westdeutschen Systems, etwa der Einrichtung direktdemokratischer Elemente.

In meiner Partei erinnern wir uns in diesen Tagen daran, dass mutige Menschen vor genau 35 Jahren, am 7. Oktober 1989, während des 40. Republikgeburtstages, im Pfarrhaus in Schwante bei Kremmen die SDP gegründet haben, die „Sozialdemokratische Partei“. Das war ein direkter Affront gegen die Einheitspartei SED. Mit größerem Abstand erscheint es mir immer bemerkenswerter, dass Erich und Margot Honecker wenige Jahre später aus reiner Mitmenschlichkeit heraus im Pfarrhaus in Lobetal aufgenommen wurden und dort Schutz fanden – trotz ihrer Rolle in der DDR.

Mut, Menschlichkeit und ein starker Wille zur Demokratie haben uns in Ostdeutschland vorangebracht. Wir haben die schwere Nachwendezeit überstanden und viele Jahre der Entbehrungen. Wir sind transformationserprobt, wie man so schön sagt. Wir können stolz auf das Erreichte sein. Märkisch-Oderland und ganz Brandenburg haben sich sehr gut entwickelt.

Wir haben allen Grund, selbstbewusst als Demokratinnen und Demokraten diese Gesellschaft weiter zu gestalten! Dazu gehört, dass wir uns für den Erhalt der Demokratie einsetzen und aus den Erfahrungen lernen. Haben wir genug über unsere Erfahrungen in der DDR und in der Wendezeit geredet, in unseren Familien und mit den jungen Leuten? Woher nehmen wir die Informationen, aus denen wir uns eine politische Meinung bilden? Wie erreichen wir mit politischer Bildung auch Erwachsene? Wie schaffen wir konkret Rede-Anlässe, Diskussionen und Austausch und den Raum dafür? Ja, Demokratie ist anstrengend. Und für seine Rechte muss man einstehen. Es gibt immer noch etwas zu verbessern. Es ist spannend, aktiv zu werden und zu überlegen, wie man sich einbringen kann.

Aber das Wichtigste scheint mir jetzt zu sein, die Demokratie zu erhalten. Dazu unterstütze ich Ehrenamtliche, Bürgerinitiativen und Gruppen gegen Rechts. Wie organisieren wir den Blick zurück? Gefährlich finde ich die heutige Verklärung der DDR. Ich habe den Eindruck, dass über die Probleme nicht genug gesprochen wird, dass auch Wissen fehlt. Etwa über die gesellschaftlichen Ausschlüsse, Diskriminierung und die Engpässe.

Auch über das zwiespältige Verhältnis zur Sowjetunion. Vielen echten, auch familiären Kontakten, Studienaufenthalten und Arbeitseinsätzen in Russland stand die offizielle deutsch-sowjetische Freundschaft gegenüber. War Russland, waren die Russen unsere Freunde? Viele Menschen in Ostdeutschland, auch ich, wünschen sich Frieden und einen guten Kontakt nach Russland.
Das ist etwas, was in Westdeutschland häufig auf Misstrauen stößt, einfach aus einer anderen Erfahrung heraus. Ich wünsche mir, dass dieser ostdeutsche Wunsch stärker ernstgenommen wird.
Die Aufarbeitung unserer DDR-Vergangenheit ist nicht abgeschlossen. Wir brauchen Wissensvermittlung über die DDR in den Schulen in Ost und West. Für junge Menschen und für Ältere. Ich freue mich, dass hier in Hoppegarten eine Ausstellung und Dokumentation zur lokalen Geschichte der SED-Herrschaft und Staatssicherheit entsteht. Heute ist kaum noch bekannt, dass es hier zahlreiche Standorte des MfS gab. Besonders gut finde ich, dass es begleitend einen intensiven Bürgerdialog gibt – das sollte ein Vorbild sein für viele andere Orte in Brandenburg!

Eine andere Aufgabe ist die Rehabilitation der SED-Opfer. Im Bundestag verbessern wir in diesen Wochen die Entschädigungsregeln für Betroffene von SED-Unrecht. Zu häufig wird ihnen nicht geglaubt oder es wird ihnen unmöglich gemacht, das Unrecht nachzuweisen. Ich habe auch erlebt, wie Opfer der SED-Diktatur hier bei uns in Märkisch-Oderland verhöhnt werden. Das ist unerträglich, dagegen müssen wir etwas tun!

  • Wir brauchen gute politische Bildung in den Schulen, den Gedenkstätten, in der politischen Erwachsenenbildung.
  • Wir brauchen Partizipationsmöglichkeiten und dürfen dem Rückzug aus der Demokratie nicht tatenlos zusehen.
  • Wir brauchen verlässliche Informationsquellen, zum Beispiel seriösen Lokaljournalismus, damit sich junge Leute ihre politische Meinung nicht auf Tiktok bilden.

Medienkompetenz ist wichtig, um Informationen von Werbung und PR trennen zu können. Um nicht auf Desinformation hereinzufallen. Wir brauchen Politiker vor Ort, die auch für Diskussionen zur Verfügung stehen. Wir brauchen keine Internetphänomene wie BSW und AfD. Wo sind diese Parteien hier bei uns? Nur online und in Talkshows. Völlig Unbekannte und Unerfahrene werden zuhauf in Funktionen gewählt, während fleißige Kümmerer in Schimpf und Schande vom Hof gejagt werden. Das kann nicht gut gehen! Ich mache mir wirklich Sorgen, wie das weitergehen soll.

Meine Bitte zum Tag der Deutschen Einheit: Wir sollten uns besinnen auf die demokratische Kraft der Ostdeutschen. Lassen Sie uns unsere Erfahrungen nutzen und unsere ostdeutsche Identität heute positiv und kraftvoll wenden!

Helfen wir alle in Ost und West mit, die Barrieren aus den Köpfen zu beseitigen, zum Beispiel durch das Leben der Städtepartnerschaften, wie es hier in Hoppegarten geschieht durch die Partnerschaft mit Iffesheim.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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