Von wem geht jeden Tag eine Gefahr für jüdisches Leben aus?

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Nach solch einer Rede fällt es mir schwer, hier noch sachlich zu bleiben.
Wer in diesen Tagen und Wochen unterstellt, dass Antisemitismus importiert wird und von Zugewanderten hauptverursachend betrieben wird, hat entweder etwas zu verbergen, ist schlecht informiert oder will Angst verbreiten.

Meine Vermutung: Es trifft alles zu!
Die AfD ist schlecht informiert, hat etwas zu verbergen und hat eben bewiesen, dass sie Angst schürt.

Nun, meine Damen und Herren, halten wir uns an die Fakten, konkret an das „Lagebild Antisemitismus
2020/21“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das in beeindruckender Klarheit Licht in das dunkle Feld des Antisemitismus in Deutschland bringt.

Antisemitismus hat in Deutschland viele Facetten. Am weitesten verbreitet ist der Antisemitismus in rechten Kreisen. Antisemitismus zeigt sich aber ebenso von links. Insbesondere im Antiimperialismus finden sich antisemitische Erklärungsmuster. Nahezu fließend ist der sich in Deutschland zeigende, aber vom Ausland getriebene Antisemitismus, getarnt als Antizionismus gegen Israel. Antisemitismus gibt es auch im Islamismus, vor allem getrieben durch die Ablehnung des Staates Israel.

Nun, meine Damen und Herren, komme ich auf den Kontext des vorliegenden Antrags zu sprechen: auf den Antisemitismus im Bereich der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter.

Ausgerechnet eine Woche nachdem unsere aufmerksamen Sicherheitsbehörden mit den Verhaftungen einer Terrorzelle von Reichsbürgern einen blau-braunen Sumpf trockengelegt haben, fragt die AfD nach dem durch Zugewanderte getriebenen Antisemitismus.

Schauen wir doch ganz nüchtern auf die Fakten, konkret auf die Zahlen. Der RIAS-Bericht spricht eine deutliche Sprache: Von den im Jahr 2021 dokumentierten 2 738 antisemitischen Vorfällen waren 17 Prozent rechtsextrem bzw. rechtspopulistisch getrieben. Dazu kommen 16 Prozent aus dem verschwörungsideologischen Milieu.

9 Prozent waren getrieben durch antiisraelischen Aktivismus, und jeweils 1 Prozent der gemeldeten Vorfälle kamen aus der politischen Mitte, dem linken/antiimperialistischen Bereich, dem islamisch-islamistischen Milieu sowie dem christlichen Fundamentalismus. Rund 54 Prozent aller Vorfälle lassen sich nicht konkret zuordnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus diesen Zahlen lese ich nicht heraus, dass ein angeblich von zugewanderten Menschen importierter Antisemitismus das vorherrschende Problem bezüglich des Antisemitismusin Deutschland ist.

Lassen wir uns doch nicht ablenken von der eigentlichen Gefahr in unserem Land, und zwar dem Antisemitismus, der ausgeht von gewaltorientierten Rechtsextremisten, sogenannten Neuen Rechten in bürgerlichen Kreisen, aggressiven Verschwörungstheoretikern im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und den Parteien im rechten Spektrum, deren parlamentarischer Arm diesen Antrag geschrieben hat.

Im Verfassungsschutzbericht finden sich klare und eindeutige Belege für antisemitische Aussagen von AfD-Vertretern. Vom „Vogelschiss der Geschichte“ über den„Schuldkult“ bis hin zu Werbung für den Telegram-Kanal des radikalen Antisemiten Attila Hildmann.

Und – zur Erinnerung –: Ein Mitglied der AfD, eine ehemalige Bundestagsabgeordnete, ist die Brücke der AfD-Fraktion zu den sogenannten Reichsbürgern und ihrem tiefsitzenden Antisemitismus.

Reichsbürger, meine Damen und Herren, glauben ernsthaft, dass Deutschland von einer Schattenregierung regiert wird, die im Verborgenen illegitime Machtstrukturen aufbaut.
Dieser Glaube an einen Deep State baut auf traditionelle antisemitische Erzählungen auf, die im Laufe der Jahrhunderte Jüdinnen und Juden immer wieder als ebendiese Strippenzieher denunziert haben, die im Verborgenen angeblich eine Verschwörung betreiben sollen. Noch vor zehn Tagen hatte die Reichsbürgerbewegung über eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete einen fast problemlosen Zugang zum Bundestag.

Wenn wir, meine Damen und Herren, über Antisemitismus reden, dann halten wir uns doch an die Fakten, von wem jeden Tag eine Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland ausgeht.

Die vor Kurzem vorgestellte Strategie gegen Antisemitismus wird von allen Parteien des demokratischen Spektrums mit Leben gefüllt werden – aus guten und notwendigen Gründen. Lassen Sie uns das gemeinsam tun!
Bringen Sie das mit mir gemeinsam voran!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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