Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
übermorgen, am 9. November, erinnern zahlreiche Veranstaltungen an die antisemitischen Pogrome von 1938. Deshalb bin ich froh, dass wir heute hier im Vorfeld mit einer breiten Mehrheit weiteren Schutz und eine weitere Stärkung des jüdischen Lebens in Deutschland beschließen werden.
Denn das ist leider bitter nötig:
Das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel angerichtet hat, war der blutigste Pogrom seit der Shoah. Noch heute befinden sich israelische Geiseln in Gefangenschaft. Noch immer warten Angehörige auf Nachricht von ihnen.
Der Angriff auf Israel hat auch Jüdinnen und Juden in Deutschland in Angst und Schrecken versetzt. Nichts ist mehr, wie es war. Und doch gibt es viel zu wenig Empathie. Stattdessen werden Jüdinnen und Juden immer häufiger zur Zielscheibe antisemitischer und anti-israelischer Angriffe.
Die ohnehin hohen Zahlen antisemitischer Straftaten sind seit dem 7. Oktober letzten Jahres weiter dramatisch nach oben geschnellt. Es vergeht kaum ein Tag ohne anti-israelische und antisemitische Äußerungen und sogar Übergriffe an Hochschulen, auf kulturellen Großveranstaltungen im Land, auf der Straße, selbst an Schulen. Im Ergebnis bedeutet das für Jüdinnen und Juden gewaltvolle Ausschlüsse aus Hochschulen, Kultur, letztlich dem erkennbaren Auftreten im öffentlichen Raum.
Dazu kommt, dass auch das Gedenken an die Opfer des Holocaust immer häufiger in den Dreck gezogen wird.
Der Vandalismus in den KZ-Gedenkstätten nimmt zu, Stolpersteine werden ausgegraben und gestohlen, Gedenkbäume werden umgesägt und Namensplaketten beschmiert. Das ist unerträglich!
Jüdisches Leben in Deutschland ist so gefährdet wie lange nicht. Und die Angriffe kommen von vielen Seiten. Sie sind nur so zu erklären, dass sich hier ein Antisemitismus Bahn bricht, der seit längerem in der Breite der Gesellschaft geschlummert hat. Es handelt sich um eine nicht aufgearbeitete Tradition der Herabsetzung von Jüdinnen und Juden.
Das darf so nicht weitergehen. Wir schauen nicht hilflos zu! Mit unserem gemeinsamen Antrag beziehen wir klar Position!
Es ist gute Tradition, dass die demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag beim Schutz jüdischen Lebens geschlossen auftreten. Nicht zuletzt fordert dies von uns der Zentralrat der Juden in Deutschland, völlig zurecht. Diese langjährige Praxis ist Ausdruck der besonderen Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens. Deshalb ist uns dieser gemeinsame Antrag so wichtig, deshalb ringen wir darum, auch wenn es manchmal etwas länger dauert und auch, wenn wir nicht alle Kritiker zufrieden stellen können.
Wir sind gewillt und in der Lage, Jüdinnen und Juden in Deutschland zu schützen. Jüdisches Leben in Deutschland nach dem Holocaust ist ein besonderes Geschenk und eine große Bereicherung.
Aber wir dürfen bei diesem Beschluss nicht stehen bleiben. Wir müssen schnell in die Umsetzung gehen und die Bekämpfung des Antisemitismus erfordert auch darüber hinaus weiter größten Einsatz. Etwa in der politischen Bildung, bei der notwendigen Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen, auch bei der historischen Aufarbeitung des Antisemitismus in den beiden deutschen Diktaturen.
Deshalb ist es richtig, dass wir in den laufenden Haushaltsverhandlungen der Förderung des jüdischen Lebens und der Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus eine wichtige Rolle einräumen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!